Nachruf für Klaus Augustin

Kochen für andere ist eine Herzenssache …

Am 11. Januar wurde Klaus Augustin beerdigt. Viele Menschen aus den Gemeinde St. Christophorus, St. Clara und die Ehrenamtlichen vom Nachtcafé in St. Richard, aber auch aus vielen weiteren Einrichtungen im Erzbistum Berlin kannten den Koch von Pallotti-Mobil. Klaus Augustin ist im Alter von 64 Jahren nach schwerer Krankheit gestorben.

Bei seiner Beerdigung auf dem Waldfriedhof erinnerten wir uns an das, was ihn für uns so besonders gemacht hat. Er war ein „Gerechter“, sagte Pater Kalle Lenz. Damit ist nicht nur die Integrität von Klaus Augustin beschrieben, sondern auch sein unbedingtes Eintreten für Gerechtigkeit. Mit Respekt begegnete er allen Menschen, von den Obdachlosen, die zu Café Platte kamen, den Menschen mit Behinderungen, für die er kochte, den Mitarbeitern von Pallotti-Mobil, den Gemeindemitgliedern bis hin zu den geistlichen Würdenträgern, denen er beim Catering für Bistumsfeierlichkeiten begegnete.


Oben und unten, das hat Klaus selbst erlebt, von der Arbeit in einem Schweizer Hotel über ein eigenes Restaurant in Berlin-Neukölln bis hin zu zehn Jahren auf den Straßen Berlins, ohne ein Dach über dem Kopf. Er hat dann die Kraft gefunden, Hände zu ergreifen, die sich ihm entgegenstreckten. Und er hat beinahe sofort angefangen, etwas zurückzugeben.


Allen, denen Klaus seine Freundschaft schenkte, blieb er treu verbunden. „Kochen für andere ist eine Herzenssache“, sagte Klaus. Die große Liebe zu seinem Beruf war inspirierend, ebenso, wie ein Einkaufstour mit ihm in den Metromarkt. Was könnte man nicht alles kochen! Seine unbedingte Zuverlässigkeit, mit der er über seinen chromblitzenden Arbeitsbereich wachte, war bekannt. Er konnte er auch schon mal knurren, wenn jemand ihm nicht ordentlich genug war. Aber Klaus brachte sein Umfeld auch mit seinem sehr trockenen Humor zum Lachen. „In der Küche gibt es nur einen Chef“, sagte Lissy Eichert, das habe sie von Klaus gelernt. Aber Klaus war kein Herrscher, sondern „jemand, der sich klein machen konnte, um andere groß zu machen“. Die letzten Jahre waren schwer für ihn. Er war unglücklich, dass er wegen seiner Gebrechen nicht mehr arbeiten konnte. Trotzdem hat er es gelegentlich zu seine Mittwochsrunde geschafft – es war wieder ein kleines Comeback, nach der Coronazeit.

Was macht einen guten Koch aus?

In diesem Interview lassen wir unseren KK (das war sein Spitzname und bedeutete „Küchen Klaus“), in einem Interview aus dem Jahr 2017 noch einmal selbst zu Wort kommen. Im Mittelpunkt steht sein Werdegang als Koch und sein wechselvolles Schicksal.

Lieber Klaus, Du hast für Café Platte, für das soziale Catering und für Festlichkeiten in der Gemeinde gekocht. Was macht einen guten Koch aus?

Oh das ist nicht so einfach. Er sollte kreativ sein. Er muss auch aus wenigen und nicht so teuren Zutaten etwas machen können. Er sollte Spaß am Kochen haben, sich immer wieder neue Rezepte ausdenken. Wenn man auf den Wochenmarkt geht, dann sieht man etwas, dann wird man schon kreativ.

Wie bist Du in die Küche gekommen? Wo hast Du gelernt?

1978 bis 1982 in der Küche des Don-Bosco-Kinderheims in Berlin-Wannsee. 1982 habe ich meine Koch-Gesellenprüfung bestanden. Es gab sieben Gruppen in diesem Heim. Das Gelände hatte einen Sportplatz, die Kirche, die Gärtnerei, Malerei, Schlosserei. Wir haben bis zu 200 Personen bekocht. Wir waren 10 bis 12 Mitarbeiter in der Küche. Es gab dann noch einen stellvertretenden Küchenchef, aber der hatte nicht viel Ahnung. Der hat Pellkartoffeln mit Quark gemacht und den Quark konntest Du mit dem Strohhalm trinken.

Und Du hast rebelliert?

Wir waren zu zweit und haben uns bei der IHK beschwert, dass wir nicht richtig ausgebildet werden. Ich meine, der Küchenchef konnte sehr gut kochen, wunderbar kalkulieren, aber am Ausbilden hat er nicht so richtig Interesse gehabt. Die nächste Station war am Kudamm, bei „Mampes gute Stube“. Was hab ich da gelernt? Arbeiten! Wenn der Kellner mit zehn verschiedenen Bons kommt, das kannte ich ja nich. Nach einem Monat konnte ich es und da sah es auch sauber aus bei mir. Das erste Gebot in der Küche ist Sauberkeit.

Von der Küche im Kinderheim ins Kudamm-Restaurant. Was war der Unterschied?

Ich war ja Gardemanger auf dem Posten, das ist kalte Küche. Und da ist Teamwork wichtig. Ich hatte zwei Kollegen: Einer warme Küche und einer kalte Küche. Wir haben uns angefreundet. Wir haben dort viel für Senioren gekocht. Da gab es eine spezielle Tageskarte und jeden Tag ein anderes Mittagsmenü. Nach dem Kudamm habe ich zwei Tage in einem Laden gekocht, so einen chaotischen Laden hab ich noch nie gesehen. Das war der absolute Hammer. Und dann bin ich in die Schweiz gegangen. Da habe ich in Engelberg in einem Hotel gekocht.

Wie kam das mit der Schweiz, hast du dich beworben, weil du einfach mal weg wolltest aus Berlin?

Der Bruder eines Kollegen hatte mich gefragt, ob ich nicht in der Wintersaison in die Schweiz kommen will. Da habe ich im Dezember 1982 angefangen. Und dann musste ich im Januar zurück nach Berlin. Meine beiden Omas sind gestorben und meine Mutter, innerhalb von drei Monaten. Es gab einen Erbschaftsstreit und alles Mögliche. Ein Bekannter meines Vaters, ein Oberkellner, hat für mich in die Wege geleitet, dass ich in einem Hotel im Grunewald anfangen konnte. Dort war ich auf jedem Posten: Gardemanger, kalte Küche, Fischküche, Fleisch und Saucen, Gemüsekoch, Potagier, Dessert, Patisserie – habe dort alles gemacht. Fast drei Jahre und da ging es richtig ab, das war nochmal ein Schub nach vorne.

Also da hast du richtig viel dazu gelernt. Hat dir etwas besonders gefallen?

Dessert! Patisserie habe ich am liebsten. Ich koche auch gerne Fisch, mit Gemüse und so. Und für Suppen bin ich jetzt Spezialist, was ich früher nicht so war.

Was war das komplizierteste Dessert, das du jemals gemacht hast?

Für 240 Personen Zitronencreme – ohne einen Anschlagkessel. Wir hatten nur ein kleines Gerät und dann hat der Topf angefangen zu rosten und wir mussten neu anfangen. Das war ziemlich aufwändig.

Hast du dich mal schlimm verbrüht?

Ja, hier in St. Christophorus habe ich mich schon öfter verbrüht. Am Arm überall sind Brandwunden, auch, weil der Ofen so groß ist. Beim Rein- und Rausholen habe ich mich verbrannt.

Ist Koch ein gefährlicher Beruf?

Wenn man aufpasst nicht so. Ich bin auch hingeflogen in der Küche, habe mir Rippen geprellt, bin mit Clogs ausgerutscht. Man schneidet sich an Dosen oder an stumpfen Messern. An scharfen Messern schneidet man sich gar nicht. Ich kann auch mit verbundenen Augen schneiden. … 15 Stunden.

Ich würde gern mal Leute ausbilden. Aber ich hab ein Problem, ich kann mit dem Computer nichts anfangen. Kuck mal, zu der Zeit gab es keine Handys, da gab es nix. Dann müsste ich das lernen. Ich überlege mir lieber immer wieder neue Rezepte.

Wenn eine junger Mann Koch werden will, was würdest Du ihm sagen?

Ja, was soll ich ihm sagen. Also ich hätte in der Schule mehr Gas geben sollen. Koch ist ein sehr interessanter Beruf, der leider zu schlecht bezahlt wird, noch. Und man muss einiges in Kauf nehmen, Wochenendarbeit und Feiertag und so. Aber er hat sehr schöne Seiten. Wenn der Gast sich freut und es kommt eine Rückmeldung in die Küche, dann freust du dich. Küche sollte Teamarbeit sein. Denn Küche ist ein harter Beruf und teilweise ist das Miteinander ist nicht gut. Wie miteinander umgegangen wird, da wird sehr viel gebrüllt, das finde ich nicht gut. Bei mir wurde nie gebrüllt. Es ist ein schöner Beruf, den man auf der ganzen Welt machen kann, das ist der Vorteil. Man sollte fast immer alles selber machen. Man sollte auch seine Gemüsebrühe selber machen und einfrieren. Das ist besser, als wenn er sich irgendwelche Chemiebrühe holt, in der Geschmacksverstärker sind. Das geht überhaupt nicht. Und es ist herrlich, wenn der Topf auf dem Herd steht und duftet. Da geht einem das Herz auf.

Wie ging es nach dem Hotel im Grunewald weiter?

Gute Frage, das war nach dem Schlosshotel Georgis 1986. Dann war ich nochmal in der Schweiz 1987. Da war ich nur ein paar Wochen. Das mit dem Küchenchef, das funktionierte nicht. Dann bin ich wieder zurück nach Deutschland. Danach habe ich mich dann selbstständig gemacht.

Wie ging das?

Wir haben einen Makler beauftragt und wir haben versucht ein Restaurant zu finden. Wir wollten gerne in Wilmersdorf eins, am S-Bahnhof Halensee, aber dieses Objekt haben wir leider nicht bekommen. Und dann haben wir eins in Neukölln gefunden und das war leider das Falsche.

Wer war „wir“?

Mein Vater und ich. Aber ich habe den Vertrag unterschrieben. Also wir haben dann ein Lokal gesucht, das war in der Nähe vom S-Bahnhof Neukölln. Aber zu dieser Zeit war es der falsche Bezirk. Wäre es nach der Wende gewesen, wäre es wahrscheinlich richtig gewesen. Aber zu dieser Zeit war es der falsche Bezirk. Für Zigtausende von D-Mark haben wir umgebaut, die Küche, ungefähr 80.000 DM. Die Küche musste total renoviert werden. Das war von 1987 bis 3. Januar 1990.

Warum kannst Du Dich an das Datum so genau erinnern?

Weil ich es noch genau weiß. Wir haben mit dem von der Brauerei zusammengesessen und anderen und dann wurde der Vertrag beendet. Wir hatten versucht, alles frisch zu kochen. Und in den letzten vier Monaten haben wir so viel Bier verkauft, wie vorher in zwölf, aber dann war es zu spät und wir hatten kein Geld mehr und dann wollte ich auch kein Geld von irgendwelchen anderen und dann haben wir halt aufgegeben. Und das Geld, das war mein Erbe, ja.

Text, Fotos und Interview: Evelyn Christel